Klaus Wolfram: 89er Revolutionär und Verleger

Ich freue mich wahnsinnig, dass dieser unglaublich kluge und wichtige Mensch, Klaus Wolfram, nun endlich ein erstes wichtiges Mal, die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient – hier in einem Gespräch mit Mark Siemons in der FAS.* Ich hatte 2010 und letztes Jahr zusammen mit Jan Wenzel, die tolle Gelegenheit, Wolfram ein zweites Mal zu interviewen

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– wir haben einen kurzen Auszug daraus in “Das Jahr 1990 freilegen” veröffentlicht.

Wolfram war  ein klassischer Dissident, aktiv in einer kritischen marxistischen Gruppe und bis zu seinem Ausschluss Mitglied der SED; 1989 Koordinator der Programmkommission des Neuen Forum und Mitglied im Landessprecherrat des des Neuen Forums. Er gründete Ende 1989 den Basisdruck Verlag mit – der u.a. die neugegründete Wochenzeitung die andere herausgab. Eine Kurzbio mit Links zu Wolfram findet sich hier.

Ich hatte bereits 2010 das ungeheure Vergnügen, Wolfram im Zuge meiner Recherchen zum Verfassungsentwurf des Runden Tischs (> siehe z.B. hier), damals noch in den alten Verlagsräumen in der Schliemannstraße im Prenzlauerberg interviewen zu dürfen. Wolfram war nicht nur maßgeblich an der Formulierung des Verfassungsentwurfs beteiligt gewesen, sondern lancierte mit der Veröffentlichung des Entwurfs bei Basisdruck auch die – letzendlich vergebliche – Kampagne und Unterschriftensammlung um ihn, wie geplant zur Diskussion und Volksentscheid zu stellen. (Mehr dazu hier.)

Im Sommer 2019 war Klaus Wolfram im Vorlauf unseres Treffens zunächst sehr zögerlich gewesen, einem Interview zuzusagen; wie andere aus den linken bürgerbewegten Kreisen der DDR ist er nicht nur sehr zurückhaltend, sondern, so schien mir, auch aufgrund schlechter Erfahrung sehr vorsichtig damit, sich selbst in eine Geschichtsschreibung und eine Gedenkkultur der für viele lebensprägenden Erfahrung 1989/90 einzutragen, der ebendiese Erfahrung immer wieder einhegt, enteignet oder ihr gar mit unverständigem Misstrauen begegnet. Ich würde mich freuen, wenn Wolframs Stimme, solange wir Stimmen wie seine noch haben, beitragen könnte, einen kritischen Diskurs aus ostlinker/ostintellektueller Perspektive Raum zu geben, der uns seit 30 Jahren bitter fehlt und der jetzt nicht nur von jener jungen Generation Ostlinker getragen werden kann und sollte, die diesen Fragen – gottseidank – endlich auch für die größere Öffentlichkeit Gehör verschaffen.

*Wolfram hatte mit seiner Rede an der Akademie der Künste zum Jahrestag des Mauerfalls für einen Eklat gesorgt, der die Anwesenden, offensichlich so automatisch wie säuberlich in begeisterte Ostdeutsche und verständnislose Westdeutsche teilte. Die Rede kann hier nachgelesen werden: https://hoywoy-stories.de/unsere-kuenstlerischen-eliten-eklat-rede-aus-berlin/