Inviting Utopia, Reading

You are cordially invited to “Inviting Utopia: Radical dreams and practices in and beyond the 1989 revolution” – a reading with Max Hertzberg, author of the East Berlin Series, and myself:

18th Jan 2018, Buchhafen
Okerstr. 1, Berlin (Neukölln), 8 pm ( in English).

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Max will read from his trilogy of political fiction set in a counter-factual post-1990 GDR and talk about how he saw a grassroots democracy as a real possibility. I will be reading from the prelude of my forthcoming book A Vocabulary of Revolutionary Gestures which sketches the radical scope of the practices and projections of the 1989 revolution. (in English)
https://buchhafen-berlin.de/en/category/events/

You can find more on Max’s fantastic East Berlin Series here: www.maxhertzberg.co.uk

Max’s background articles on the revolution of 1989/90 are to my mind the best comprehensive summary of the events in English and are highly recommended:
http://www.maxhertzberg.co.uk/articles#content 

Causa Holm, continued

Kommentar zu einem Artikel von Robert Ide, 4.12.17

Herr Ide, Ihre Selbstgerechtigkeit ist so beeindruckend wie erschütternd.
Der Tagesspiegel und Sie als Autor wurden nicht angegriffen, weil Sie “zuerst und intensiv die Frage thematisiert haben, ob Holm als Staatssekretär glaubwürdig ist”.

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Vielmehr wurden konkrete Formulierungen hinterfragt, die Leser*innen unvereinbar mit einem Mindestmaß an journalistischer Ethik erschienen:
Bereits in Ihrem ersten Artikel zum Thema vom 13.12.16 setzten Sie die Umsetzung des von einer demokratisch gewählten Berliner Landesregierung geschaffenen Mittels des Zweckentfremdungsverbots mit Stasimethoden gleich. Zitat: “Das Vorkaufsrecht auf Wohnhäuser, die Regulierung von Sanierungsumfang und Miethöhe in Milieuschutzgebieten sowie die Gesetzgebung gegen die Zweckentfremdung. Wenn nur genügend offizielle und inoffizielle Mitarbeiter zum verschärften Überwachen und Strafen bereit stehen, könnte so mancher in der Ferienwohnungsindustrie bald aufheulen.” http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/berlins-neuer-staatssekretaer-und-die-stasi-was-hat-andrej-holm-getan-und-was-hat-er-dazu-gesagt/14969070.html

Diese implizierte Gleichsetzung der Umsetzung eines Gesetzes mit Stasimethoden offenbart nicht nur ein recht fragwürdiges Demokratieverständnis, sondern verharmlost zudem das tatsächliche Wirken der Stasi und dessen verheerende Folgen.

Eine in Ihrem Artikel gepriesene Einsicht in eigene Fehler würde Ihnen, nicht zu letzt angesichts dieses journalistischen Fehltritts, selbst gut zu Gesicht stehen.

Auch Ihre im selben Artikel geäußerte Einschätzung, der staatstragende Antikapitalismus der DDR fände seine Fortsetzung im heutigen politischen Engagement der Mieterinitiativen beleidigt nicht nur die vielen, meist unbezahlt im Interesse der mehrheitlich zur Miete wohnenden Bewohner*innen Berlins Engagierten. Sie verunglimpft auch jene Dissident*innen, Umweltschützer- und Friedens- und Frauenbewegten, die bis 1989 unter Gefahr für Leib und Seele Widerstand gegen das SED-Regime leisteten und sich für einen Demokratisierung des DDR-Sozialismus einsetzten, nur um nach der Revolution wieder auf der falschen Seite der Macht zu landen. Nämlich in der Regel nicht in den Schreibstuben der etablierten Zeitungen.

Mit seinem Engagement beim aus dem im DDR-Widerstand entstandenen telegraph (ehemals Umweltblätter/ http://umwelt-bibliothek.de/umweltblaetter.html) suchte sich Holm nach 1990 ein Betätigungsfeld, in dem er sich durchaus auf kritische Fragen zu seiner Biographie einstellen musste. Andere haben es sich einfacher gemacht und sind im Dunstkreis der post-SED verblieben, wo es sich schon bald wieder Karriere machen ließ.

Diese Art historisch informierter Differenzierung und Kontextualisierung würde man sich von qualitätsvollem Journalismus wünschen.

In diesem Sinne sei allen, die sich für die tatsächlichen Fakten der “Causa Holm” interessieren, das auf der Seite “Wir bleiben alle” veröffentlichte FAQ empfohlen, das einigen der sich in der Berichterstattung des vergangenen Winters verselbstständigen Formulierungen und Darstellungen anhand der der vorliegenden Originaldokumente, sowie rechtlichen Einschätzungen auf den Zahn fühlt, darunter den Fragen:

– War Andrej Holm hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter?

– Hat Holm falsche Angaben gemacht?

– Hat Andrej Holm seinen Status als Offiziersschüler beim MfS im Fragebogen der HU im Jahr 2005 verschleiert?

Das FAQ findet sich unter:

http://wirbleibenalle.org/?cat=915

[Dieser Kommentar wurde am 4.12.2017 als Reaktion auf einen Artikel im Tagesspiegel geschrieben und dort in leicht geänderter Form in den Kommentarspalten geposted.]

“Zur Verfassung” – Berliner Hefte #5

Am 23. November 2017 erscheint unsere Publikation: Zur Verfassung – Recherchen, Dokumente 1989-2017, Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt #5 (Elske Rosenfeld, Kerstin Meyer, Joerg Franzbecker).

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Wir freuen uns, das Heft am 

25.11.2017, 18 Uhr
im Maxim Gorki Theater/ Herbstsalon
Palais am Festungsgraben
Am Festungsgraben 1, Berlin

vorstellen zu können.

Zum Heft:

1990 galt in Ost-Berlin für ein halbes Jahr eine Verfassung, die weitreichende politische Bürgerrechte enthielt. Diese waren aus den Erfahrungen der Revolution 1989 von den Bürgerbewegungen und der Opposition am Zentralen Runden Tisch der DDR formuliert worden. Die Verankerung der erweiterten politischen Rechte in der gemeinsamen Landesverfassung scheiterte jedoch im ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhaus – einzig die Volksgesetzgebung wurde übernommen. Damit ist es in Berlin möglich, Gesetze durch Volksentscheid und ohne das Parlament direkt zu beschließen. Das gelang bisher mit den Volksentscheiden zur Offenlegung der Wasserverträge und zum Erhalt des Tempelhofer Feldes. Für letzteren stimmte im Mai 2014 eine Mehrheit in allen Bezirken. Dennoch versuchten die Regierungsparteien, das Tempelhofer Feld-Gesetz wieder zu kippen. In Reaktion darauf wurde 2016 das Volksbegehren Volksentscheid Retten eingeleitet, um die Volksgesetzgebung in der Verfassung zu stärken. Beide Vorgänge, 1989/90 und 2016, hatten zum Ziel, dass alle Berliner*innen an der Ausgestaltung der Verfassung teilhaben können. Sie bilden die Klammer für erschienene Heft.

Zur Verfassung – Recherchen, Dokumente 1989–2017 wurde von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert.

Die Publikation ist die dritte von drei Berliner Heften, die im Rahmen des nGbK-Projektes Ene Mene Muh und welche Stadt willst Du? Beiträge zum Berliner Wahlherbst 2016 entstehen.

96 Seiten, mit einer Bildstrecke von Elske Rosenfeld aus Videostills von Klaus Freymuth
Elske Rosenfeld, Kerstin Meyer, Joerg Franzbecker (Hg.),
November 2017
7€
ISBN 978-3-946674-04-7

Erhältlich über www.bookspeopleplaces.com, www.ngbk.de und den Buchhandel 

Tagung “Ostwind”

Die unglaublich wichtige Tagung “Ostwind – Soziale Kämpfe gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ostdeutschland 1990 bis 1994” findet nächstes Wochenende im Haus der Demokratie statt. Ein erster Versuch, die völlig vergessene bzw. schon damals ignorierte Geschichte der Arbeitskämpfe ab 1989/90 in der post-DDR aufzuarbeiten, oder zunächst überhaupt erst einmal in Erinnerung bzw. das Bewusstsein zu rufen.

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“Es ist höchste Zeit, sich dieser vergessenen Bewegung wieder zu zuwenden, zumal Ostdeutschland namentlich von jungen Aktivist/innen häufig nur als Hort von Rassismus und Nationalismus wahrgenommen wird. Wenn jedoch die Entwicklung in Ostdeutschland auf diese Vorgänge reduziert bleibt, gerät aus dem Blick, dass es zeitgleich eine emanzipatorische betriebliche Basisbewegung gab. Zum besseren Verständnis einer in Ostdeutschland erstarkten rechten Bewegung gehört es aber auch, die dramatischen sozialen Umbrüche und die Niederlagen der Protestbewegung der 1990er Jahre danach zu befragen, inwieweit sie zu massiven Entsolidarisierungsprozessen führten und damit rechtsradikale Ideologien stärkten.”

“Causa Holm”, FAQ

FAQ zur Holmdebatte, veröffentlicht am 05.04.2017

Hat Andrej Holm gelogen? – Ein Faktencheck

Nach der Bestellung von Andrej Holm als Staatssekretär für Wohnen in Berlin wurde intensiv über seine fünfmonatige Tätigkeit in den Jahren 1989/90 beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und seinen Umgang damit diskutiert. Ein von ihm im Zuge seiner Anstellung an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgeblich falsch ausgefüllter Fragebogen ist zum Gegenstand einer zum Teil aufgeregt geführten Debatte in Tageszeitungen, Politik und sozialen Medien geworden.

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In diesen Debatten haben viele Vermutungen, Behauptungen und Vorwürfe eine Eigendynamik erhalten und sich zu dem Bild verfestigt, Andrej Holm sei nicht offen mit seiner Stasivergangenheit umgegangen. Von Lügen, arglistigen Täuschungen und Erinnerungslücken ist die Rede. Doch stimmt das überhaupt?

Ein F.A.Q. der AG #holmbleibt-Recherche (Kerstin Meyer, Elske Rosenfeld, Enrico Schönberg)

Kompletter Text unter:

http://wirbleibenalle.org/?cat=915

“Namibia Today”, Notes on an Exhibition

Commentary on Laura Horellis project “Namibia Today”, Donnerstag 9 Februar 2017, 19 Uhr

U-Bahnhof Schillingstraße, U5, Eröffnung und Rundgang mit Andreas Guibeb, Botschafter der Republik Namibia, Uwe Jaenicke, SODI e.V. und Thomas Lendrich (Druckhaus Gera)

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At U-Bahnhof Schillingstraße, on what used to be Stalinallee back when it was built, yesterday’s opening of “Kunst im Untergrund 2016/17: Laura Horelli” took place in more or less the heartland of the old East German establishment, so that, apart from the bracing cold, the sight of the assembled audience of well dressed older gents and ladies  sent me into a misty discomfort that was not at all lessened when the former Director of the Druckerei Fortschritt (Printing House Progress), current day director of the private Druckhaus Gera GmbH, took the mike.

Once in charge of one of the rare and exceptionally privileged party-owned enterprises, he began to extoll the joys of working for such a great and no doubt exceptionally privileged company in the service of what – as he (somewhat under his breath) conceded – was a somewhat bureaucratised, state-sponsored take on “international socialist solidarity.”

As the Director rhapsodised in front of the the mildly interested faces of the assembled art crowd, and the eager-going-on-blissful faces of the East German pensioners, (not to mention the completely non-comprehending faces of the apparently non-German speaking Namibian embassy staff), a slightly dishevelled looking middle-aged man appeared among the crowd of regular commuters a few meters down the platform and, beer can raised, launched into a loud – and near perfect – impersonation of one of the more famous of General Secretary Erich Honecker’s nasal pronouncements (the one about how neither ox nor donkey, will ever throw socialism off its inevitable course to historic triumph). An intervention that struck me as so absolutely accurate in its perception of the tone and content of the Director’s speech and so perfect a response, that I was sad to see the man disappear, back first, through the doors of the arriving U-Bahn, still reciting party slogans and quite obviously undeterred by the Director’s efforts at shutting him down. The latter, by the way, delivered with the kind of authoritarian condescension that I assume must be the prerogative of those – across times and systems – whose lives and aspirations align pretty damn smoothly with each particular system’s (often not so different) notions of a successful, valuable life.

Got me thinking, too, about the work of translation, or of whatever, that is still needed until a word as innocuous as “solidarity” can be understood in its always specific and changing connotations, until, in other words, particular uneasinesses can be shared a little more evenly across a Berlin (art) crowd – rather then held by a few, and released by one, beer can in hand (on a good day).

18.02. 2017

because of… i guess “life” in general, and “berlin” in particular, it so happened that i got into a conversation with a blogger for the swapo-critical swapo youth league and a scholar of african history last night and learnt, that “solidarity” of the GDR towards the african liberation movements involved having the stasi help from and train up the ANCs and Swapo’s security services – including instructions on torture. puts “solidarity” kind of into perspective.

Zur “Causa Holm”, Gespräch am 29.1.2017

Audio: Diskussion „Eine unlautere Debatte“ – Wolfhard Pröhl und Peter Neumann zur Debatte um Andrej Holm // vom 29.01.2017

> Link zum Audiomitschnitt unseres Zeitzeugengesprächs mit Wolfhard Pröhl und Peter Neumann im besetzten Institut für Sozialwissenschaften an der HU (mit Kerstin Meyer und Enrico Schönberg)

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Beide waren beteiligt an der Auflösung von Stasi-Strukturen 1989/90 und in der Nachwendezeit. Peter Neumann war Mitglied der Projektgruppe zur Stasi-Auflösung in der Verwaltung für Inneres in Berlin und Wolfhard Pröhl beteiligte sich an der Stasi-Auflösung in Dresden. Beide positionierten sich sehr eindeutig in der Debatte um Andrej Holm. In der Veranstaltung vom 29.01.2017 beschreiben sie den Umgang mit Stasimitarbeitern und IMs zum Ende der DDR und erklären, warum es ihnen in der aktuellen Debatte so leicht fällt, für Andrej Holm Position zu beziehen.

Zur “Causa Holm”, Teil 2

Facebookposting vom 19.01.2017 zur Erklärung von Prof. Dr. Kunst (Präsidentin der HU) zur Entlassung Andrej Holms: Weil Frust going on Verzweiflung produktiv macht, hier meine Einschätzung der Einschätzung von Frau Kunst in Sachen Holm:
Die Präsidentin der HU hat gestern eine “Erklärung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn Dr. Holm” veröffentlicht.

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Die Entlassung wird im 4. Absatz  damit begründet, dass “Herr Dr. Holm die HU hinsichtlich seiner Biographie getäuscht und auch an dem wiederholt vorgebrachten Argument der Erinnerungslücken festgehalten hat.”

Im letzten Absatz wird die Begründung um einen weiteren Punkt ergänzt: Die Entlassung wird hier damit begründet, dass:

1/Holm falsche Angaben gemacht habe

2/diese nicht bedaure

3/und auf “Erinnerungslücken” beharre.

Zu den drei Punkten habe ich folgende Anmerkungen:

Zu 3/Ob und an was sich Andrej Holm erinnert, kann außer ihm niemand beurteilen. Es gibt meines Wissens keinerlei Verfahren, durch die sich seine genauen Erinnerungen zum Zeitpunkt der Angaben überprüfen ließen. Es gibt folglich auch keinerlei Art nachzuweisen, dass seine Erinnerungslücken eine Erfindung wären.

Das er auf diesen “beharrt” kann heißen: er lügt, und zwar hartnäckig, oder: er sagt die Wahrheit und kann daher seine Meinung auch nicht ändern.

Ohne besagte hypothetische Verfahren wird hier nicht zu klären sein, welche der beiden Optionen der Wahrheit entspricht. Daraus sollte sich, meines Erachtens ableiten, dass diese Frage nicht zu einer arbeitsrechtlichen Beurteilung des Falls Andrej Holm geeignet ist. Der Fachausdruck heißt, glaube ich, „in dubio pro reo“.

Zu 1/ Als falsche Angabe bewertet Frau Kunst in der Erklärung seine Aussage, im Wachregiment Feliks Dzierzynski Mitglied gewesen zu sein. Da diese nicht der Wahrheit entspräche, handle es sich um eine “arglistige Täuschung”. (Abs. 6)

Tatsächlich absolvierte A.H. seine militärische Grundausbildung laut Stasiakte nicht beim Wachregiment, sondern bei der Wach- und Sicherungseinheit der Bezirksverwaltung Berlin.

Nun ist es so, dass zwischen dem Wachregiment Feliks Dzierzynski und den Wach- und Sicherungseinheiten tatsächlich zahlreiche Überschneidungen gab. So übernahmen beide Diensteinheiten teilweise dieselben Aufgaben, z.B. des Wach- und Sicherungsdienstes. (siehe z.B.: Wikipedia-Artikel zum Wachregiment Feliks Dzierzynski)

Nach einem Befehl vom Juli 1989 (also wenige Monate vor Andrej Holms Beginn seiner Stasi-Ausbildung) sollte zudem die „Schule WSE“ aus der Hochschule des MfS herausgelöst und als Offiziersschule zur Ausbildung für den militärisch-operativen Wach- und Sicherungsdienst in das WR »F. E. Dzierzynski« eingegliedert werden (siehe Roland Wiedmann: Die Diensteinheiten des MfS 1950–1989.Eine organisatorische Übersicht MfS-Handbuch. Hg. BStU. Berlin 2012. S. 402 (http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Publikationen/Publikationen/handbuch_diachrone_wiedmann.pdf?__blob=publicationFile)

Eine Unterscheidung bzw. klare Abgrenzung zwischen Wach- und Sicherungseinheit und dem Wachregiment Felix Dzierzynski scheint also sowohl objektiv, als auch in der von Andrej Holm geschilderten subjektiven Wahrnehmung nicht immer ganz einfach.

Hätte Andrej Holm die HU bewusst täuschen wollen um damit seine Stasi-Mitarbeit, wie es so oft hieß, zu “verharmlosen”, hätte ein Ersetzen der Angabe WSE durch die Angabe Wachregiment Felix Dzierzynski keinen Sinn ergeben. Der Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen behandelte z.B. im Tätigkeitsbericht von 2000 unter „Bewertung des Wehrdienstes beim Wachregiment ‘Feliks Dzierzynski’ bzw. einer Wach- und Sicherungseinheit einer Bezirksverwaltung des MfS beide Einheiten in seinem Jahresbericht als analog (http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/2934/tätigkeitsbericht-2000-des-landesbeauftragten-des-freistaats-thüringen-für-die-unterlagen-des-staatssicherheitsdienstes-der-ehemaligen-ddr-gemäß.pdf ). Im Bericht heißt es dort weiter: “Vor diesem Hintergrund vertritt der Landesbeauftragte die Auffassung, dass diejenigen, die lediglich ihren Wehrdienst im Wachregiment ‚Feliks Dzierzynski’ abgeleistet haben, keine wahrheitswidrige Aussage machen, wenn sie die Frage nach einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS im Zusammenhang mit einer Einstellung im öffentlichen Dienst verneinen. Analog einem Wehrdienst im Wachregiment des MfS ‚Feliks Dzierzynski’ wird vom Thüringer Landesbeauftragten der Wehrdienst in der Wach- und Sicherungseinheit einer Bezirksverwaltung (BV) des MfS gewertet.” (S. 16)

Ähnlich urteilt Wolfhard Pröhl im Telegraph zur damaligen Einschätzung zu Menschen mit einem solchen Dienstgrad und Dienstdauer durch mit der Stasiauflösung betraute DDR-Bürgerrechtler. http://telegraph.cc Die Behauptung, es läge eine „arglistige Täuschung“ vor, scheint angesichts dieser Ausgangslage fraglich.

Zu 2)

Laut ihrer Erklärung hat Frau Kunst Andrej Holm nicht entlassen, weil er 1989/90 kurz für das MfS tätig war, sie hat ihn auch nicht (nur) entlassen, weil er darüber – ihrer Ansicht nach – im Zusatzfragebogen der HU 2005 falsche Angaben gemacht habe, sondern weil er diese mutmaßlichen Falschangaben nicht bedaure.

Hier dreht sich die Begründungsspirale für Andrej Holms öffentlicher Verurteilung der letzten Wochen noch eine Runde weiter ins Absurde.

Dass Andrej Holm sein Vorgehen im Fragebogen bedauert, setzt voraus, dass er wissentlich falsche Angaben gemacht und betrogen hat, sich also absichtsvoll inkorrekt verhalten hat. Wenn Andrej Holm seine Angaben 2005 nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat, wie er behauptet, würde ein Bedauern keinen Sinn machen. Ob Andrej Holm seine Angaben 2005 nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat, kann weder Frau Kunst noch sonst irgendjemand außer Andrej Holm zweifelsfrei beurteilen (siehe Punkt 3). Es scheint aber angesichts der unter 1) erwähnten Fakten, und in Anbetracht der Einschätzung des Fragebogens durch die einzigen beiden Experten in Sachen Fragebogen, die sich bislang in der Angelegenheit geäußert haben (Wolfhart Pröhl auf http://telegraph.cc und Peter Neumann,(http://www.tagesspiegel.de/berlin/debatte-um-andrej-holm-buergerrechtler-stasi-fragebogen-nicht-mehr-zeitgemaess/19229772.html) in keinster Weise ausgeschlossen, dass Andrej Holm den Fragebogen tatsächlich, nach bestem Wissen (seines damaligen Kenntnisstands) und Gewissen beantwortet hat. In dem Fall ist die Frage einer öffentlichen Bekundung des Bedauerns hinfällig.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von den genannten Gründen für Holms Entlassung nur einer tatsächlich überprüf- und belegbar ist – die der Falschaussagen. Die beiden anderen Vorwürfe würden nur Sinn ergeben, wenn diese Frage zweifelsfrei zu AH’s Ungunsten entschieden worden, bzw. überhaupt zweifelsfrei entscheidbar wäre.

Die Beurteilung von Holms Angaben als „falsch“ sind zudem stark interpretationswürdig. Eine solche Beurteilung wird heute anhand von Angaben aus Holms Stasiakte vorgenommen, die ihm damals nicht bekannt gewesen sein muss. Die Beurteilung und Einordnung von Holms Status von Seiten und in der Terminologie des MfS wird zum Maß der Wahrheit gemacht. So wird die Arbeit dieser Behörde 27 Jahre nach ihrer Auflösung zum Maß der Beurteilung von Wahrheit und Unwahrheit, und bestimmend für das heutige Schicksal einer Person, gemacht.

Meine Beurteilung stützt sich auf Recherchen einer Gruppe von Interessierten aus diversen Stadtinitiativen.

Zur “Causa Holm”, Teil 1

Text mit und für Bizim Kiez zur “Causa Holm” vom 20.12.2016

Bizim Kiez hat sich als Mitunterzeichner des Offenen Briefs der stadtpolitischen Initiativen bereits öffentlich mit Andrej Holm solidarisiert. Hier haben einige von uns noch einmal ein paar der Argumente, die gegen Holm vorgebracht werden, unter die Lupe genommen, um aufzuzeigen, mit welchen rhetorischen und ideologischen Mittel hier vorgegangen wird und wer sich in den Anfeindungen der letzten Tage durch besonders extreme Zuspitzungen hervorgetan hat. Gleichzeitig eine Art Presseschau/ aktueller Stand der „Debatte“:

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Die Ernennung Andrej Holms zum Staatsekretär für Wohnen hat das Potential, eine neue Etappe in der Berliner Mietenpolitik einzuleiten. Eine solche Neuorientierung könnte möglicherweise tatsächlich endlich (!) nicht nur für die immobilienwirtschaftlichen Profiteure gefährlich werden, sondern auch einen Bruch mit den bisherigen, von Holm wiederholt kritisierten, Politiken der Berliner Fraktionen bedeuten. Doch bevor Andrej Holm die Gelegenheit bekommt, sich an den bürokratischen und realpolitischen Gemengelagen der Berliner Stadtpolitik die Zähne auszubeißen – im besten Falle nicht ohne positive Effekte für die Lage der ärmeren Berlinerinnen –, muss er nun zunächst den Hürdenlauf durch den üblichen, fast schon reflexhaft errichteten Parcours der jüngeren deutschen Geschichtsaufarbeitung absolvieren – mit ungewissem Ausgang. In der Presse und von Politiker*innen verschiedener Parteien werden vermeintliche wie reale, nachvollziehbare Befindlichkeiten von Opfern des DDR-Staatsterrors und Stasiwillkür ins Feld geführt, um ihn für ein solches Amt als untragbar zu präsentieren und eine Zurücknahme dieser Personalentscheidung zu erzwingen.

Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat in den letzten 26 Jahren immer wieder für eine Generalabrechnung mit jeglicher Art linker Praxen oder Positionen herhalten müssen. (Dass sie heute dafür herhalten kann, ist nicht zuletzt leider auch Folge des weitgehenden Desinteresses einer westdeutschen Linken, die das Feld einer ernsthaften, kritischen Auseinandersetzung mit dem Versagen des Staatssozialismus nach und vor 1989 nahezu kampflos der Rechten überlassen hat… das aber nur am Rande.) Entlang jener ideologischen Motive der DDR-Aufarbeitung werden Holm nun also wahlweise oder auch gleichzeitig drei verschiedene Vergehen vorgeworfen, durch die er sich für ein derartiges Amt disqualifiziert habe, und zwar: 1/sein tatsächliches Verhalten 1989, 2/ sein heutiger Umgang mit seiner Vergangenheit und, 3/ sein vermeintlich fehlender Gesinnungswandel seit dem Ende der DDR.

Vorwurf 1 basiert auf der Einschätzung, dass jedwede Mitarbeit bei der Stasi (unabhängig von Alter, familiärem Hintergrund, Dienstgrad, Dauer, oder auch konkreten Formen und Inhalten der Mitarbeit) Personen lebenslänglich für öffentliche Ämter oder Positionen disqualifiziere. (siehe z.B.: https://blogs.faz.net/…/linksruck-der-staatssekretaer-und-…/) Das ist eine Generalverurteilung, die selbst von vielen ehemaligen Dissident*innen so nicht geteilt wird, siehe z.B. Wolfgang Thierses Intervention, in der er die Vorwürfe gegen Holm als „einigermaßen unanständig“ bezeichnet. (http://www.berliner-zeitung.de/…/umstrittener-staatssekreta… und http://www.tagesspiegel.de/…/stasi-vergangenh…/14988788.html)

Punkt 2 ist, zumindest scheinbar, etwas komplexer. Holm hat schon lange ohne Beschönigung und ohne Not oder äußeren Druck über seine MfS-Mitarbeit gesprochen. (vergleiche hierzu das Statement seiner telegraph-kollegen: http://telegraph.cc/offene-diskussion-statt-schmutzkampagne/) Vor einer breiteren Öffentlichkeit äußerte er sich hierzu 2007 in einem sehr lesenswerten taz-Interview, u.a. mit Dirk Teschner (http://m.taz.de/!5189906;m/). Nach der Offenlegung seiner Kaderakte wird ihm nun vorgeworfen, bei seiner Selbstauskunft vor seiner Anstellung an der Humboldt-Uni seine MfS-Mitarbeit unzureichend genau bzw. falsch angegeben zu haben. Er hatte hier unter der Rubrik Wehrpflicht seine Ausbildung beim als solches bekannten Stasi-Wachregiment “Feliks Dzierzynski” aufgelistet, eine Stasi-Mitarbeit aber verneint und auf den Eintrag zur Wehrpflicht verwiesen. (siehe dazu Andrej Holms Richtigstellung vom 14.12. 2016, z.B.: http://www.berliner-zeitung.de/25294840 und https://www.taz.de/Andrej-Holms-Stasi-Vergangenhe…/!5364040/). Vorgeworfen wird ihm nun genau genommen, die Ausbildung bei dem Stasi-Wachregiment nicht konform mit der stasiinternen Einordnung seines Dienstverhältnisses bereits als Stasi-Mitarbeit eingestuft zu haben (von der er damals durchaus nicht notgedrungen Kenntnis gehabt haben muss). (http://www.tagesspiegel.de/…/stasi-vorwuerfe-…/14980672.html). Tatsächlich kommt der Landesbeauftragte des Freistaates Thüringen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in einem Tätigkeitsbericht von 2000 aber zu folgendem Urteil: „Der allgemeine Wehrdienst im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ war als Dienst auf Zeit abzuleisten. Während dieser Zeit waren die Wehrdienstleistenden als hauptamtliche Mitarbeiter des MfS registriert, weil das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ eine Struktureinheit des MfS war. … Vor diesem Hintergrund vertritt der Landesbeauftragte die Auffassung, dass diejenigen, die lediglich ihren Wehrdienst im Wachregiment ‚Feliks Dzierzynski’ abgeleistet haben, keine wahrheitswidrige Aussage machen, wenn sie die Frage nach einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS im Zusammenhang mit einer Einstellung im öffentlichen Dienst verneinen.“ (http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/2934/tätigkeitsbericht-2000-des-landesbeauftragten-des-freistaats-thüringen-für-die-unterlagen-des-staatssicherheitsdienstes-der-ehemaligen-ddr-gemäß.pdf)

Das ist eindeutig.

Aufschlussreich und zugleich hochgradig ideologisch wird es bei Anschuldigung 3: Robert Ide setzt im Tagesspiegel gleich mal ohne jeglichen Anflug von Scham Anti-Gentrifizierungspolitik (inklusive bestehender Beschlüsse einer demokratisch gewählten Berliner Stadtregierung zur Zweckentfremdung) mit Stasi/Spitzelmethoden gleich: “Wenn nur genügend offiziellen und inoffizielle Mitarbeiter zum verschärften Überwachen und Strafen bereit stehen, könnte so mancher in der Ferienwohnungsindustrie bald aufheulen.”

(http://www.tagesspiegel.de/…/berlins-neuer-st…/14969070.html)

F.A.Z.-Journalist Rainer Meyer vermutet in der FAZ hinter der Personalie Holm und dessen politischem Richtungswechsel eine Wiedereinführung des Staatssozialismus (https://blogs.faz.net/…/linksruck-der-staatssekretaer-und-…/, siehe auch http://www.rbb-online.de/…/cd-mueller-soll-holm-als-staatss…).

Über die Person Holm als „Hausbesetzender Investorenhasser mit STASI-Vorgeschichte” (ibid.) wird eine Kontinuität zwischen Stasiterror und DDR-Unrecht und heutiger linker politischer Arbeit herbeikonstruiert, die von den vielen linken, bzw. jenen links gebliebenen unter den Dissident*innen, Umwelt- und Friedensaktivist*innen der DDR als ein Schlag ins Gesicht empfunden werden muss, von denen sich viele damals wie heute ein mutiges politisches Leben auf der immer wieder, immer noch falschen Seite der politischen Machtverhältnisse zugemutet haben. Eine solche konstruierte Kontinuität wird auch Holms Lebenslauf nicht gerecht, der sich nach 1990 in den bürgerbewegten Kontexten der Vereinigten Linken und des telegraph sicher einige Fragen zu seiner Biographie hat stellen lassen müssen (und, wie es in einer akutellen Stellungnahme des telegraph heisst, auch stellen hat: http://telegraph.cc/offene-diskussion-statt-schmutzkampagne/).

Hierzu wäre noch anzumerken, dass die CDU selbst, aus deren Reihen wenig überraschenderweise ein paar der lautesten Anfeindungen Holms kommen, im Umgang mit komplizierten DDR-Biografien der eigenen Mitglieder (wie auch der unrühmlichen Rolle der Ost-CDU als Teil des DDR-Staatsapparats) interessanterweise sehr viel mehr Milde walten lässt. Vorwürfe gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich wurden 2008 z.B. vom Regierungssprecher als “eine gezielte Diskreditierung Einzelner” verurteilt. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/stanislaw-tillichs-ddr-biografie-stueck-fuer-stueck-kommt-das-gedaechtnis-zurueck-a-592657.html). Wolfgang Schäuble machte im selben Jahr Wahlkampf für einen ehemaligen hochrangigen DDR-Grenzoffizier, der Art und Inhalte seines Dienstverhältnisses zunächst durch unspezifische Angaben verschleiert hatte. (https://www.welt.de/politik/article1619145/Schaeuble-macht-Wahlkampf-fuer-DDR-Grenzoffizier.html)

Dass Andrej Holm sich im September 1989 für eine Laufbahn beim MfS entschieden hat, ist für viele, vor allem in der DDR-Aufgewachsene, schwer nachvollziehbar und wird das auch bleiben. Dennoch: Holm hat sich in der Vergangenheit und in den letzten Tagen auf nachvollziehbare, selbstkritische, sachliche und seinen Kritiker*innen gegenüber äußerst respektvolle Weise (siehe z.B.: http://www.tagesspiegel.de/…/stasi-vorwuerfe-…/14980672.html, oder auch taz 2007) zu seiner DDR-Vergangenheit geäußert und dafür Verantwortung übernommen. Die Teils mit äußerst unlauteren Mitteln und ideologischen Kampfbegriffen geführte Kampagne gegen ihn lässt sowohl den nötigen Respekt gegenüber den gern zitierten Opfern des DDR-Unrechts (die hier wieder einmal ungefragt und oft entgegen ihren eigenen politischen Ansichten zu dem Thema instrumentalisiert werden) vermissen, als auch jede Verhältnismäßigkeit in ihren Verurteilungen und den daraus abgeleiteten Konsequenzen.

Es bleibt zu hoffen, dass Holm in den kommenden Tagen und Wochen nicht die Gelegenheit entzogen werden wird, sich – anstatt an einer 26 Jahre zurückliegenden Entscheidung – anhand seines nun anstehenden Handelns als Staatsekretär für Wohnen messen zu lassen. Alles andere wäre ein Sieg der Ideologen und Lobbyisten in der sich in Berlin seit einiger Zeit vollziehenden wohnungs- und stadtpolitischen Katastrophe.